DA-Kunsthaus Kloster Gravenhorst, Hörstel, 2011

Eine riesige Skulptur in Form eines lateinischen Kreuzes weist zunächst nur auf die spirituellen Wurzeln und die Geschichte dieses Ortes hin. Die Installation, die aus profanen, „armen“ Materialien wie Obstkisten aus Holz besteht und von innen mit Leuchtstoffröhren beleuchtet wird, entfaltet hier im Westflügel nicht nur eine ästhetische, sondern auf Grund der eindeutigen christlichen Symbolik und unser Wissen um die Vergangenheit diesen Ortes, auch eine starke sakrale Wirkung.

Aber jenseits der christlichen Kreuzsymbolik und der sakral-historischen Bezüge, die natürlich von dem Künstlerpaar auch intendiert sind, gibt es noch viel mehr zu entdecken. Das Kreuz greift in seiner Materialität auf frühere Installationen der Künstler zurück. Bei den Installationen „Wolkenkratzer“ in Poppenhagen 2009 und „Konglomerat“ in Düsseldorf 2010 wurden im Außenraum Holzkisten auf zu 3-4 m hohe Türme aufeinander gestapelt und von Innen mit Baustrahlern oder Neonlicht durchflutet.

In der Dunkelheit und mit etwas Abstand wurden die Obst- und Gemüsekisten aus den Müllcontainern der Großmärkte zu riesigen erhabenen Hochhaussilhouetten aus Manhattan, Bejing oder Tokio. Auch hier ein ästhetisches Spiel mit kleinen, armen Materialien, die aus dem Müll stammen, künstlerisch überformt aber eine neue, ganz andere „großartige“ Wirkung entfalten. Aber neben der ästhetischen Umdeutung von Materialien findet man in fast allen Arbeiten des Künstlerpaares Spuren eine historisch-politische, soziale und ökologische Motivation ihrer Kunst. Diese Spuren formen sich aber nie zu eindeutigen politischen Aussagen oder gar Parolen, sondern sind Ausdruck einer authentischen, menschlichen Haltung und auch Ausdruck der Biografie der Künstler und ihrer Erfahrungen als Reisende zwischen verschiedenen Kulturen.

Jenseits der Kreuzsymbolik, der christlichen wie auch der ökologisch-politischen Konnotationen dieser Installation, ist sie auch einfach schön und nimmt unmittelbar Bezug auf die architektonische Details dieses Raumes. Es bildet einen Gegenpol zum großen gothischen Fenster und zum modernen massiven Betontreppenturm am südlichen Ende des Westflügels. Und das Streifenmuster, das die Lamellen der Holzkisten bilden, spiegeln die Gliederung des Raumes durch Treppenstufen, Geländer und Fensterstreifen.

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Eine große Schönheit und Präzision zeigt auch die dritte Arbeit im Gewölbe des Südflügels, trotz des genutzten Materials: Kaputte Regen- und Sonnenschirme, ausrangierte Klein- und Gartenmöbel aus dem Sperrmüll, sowie ein verspiegelter Verkaufsständer aus dem Drogeriemarkt werden mit Ästen und vertrocknetem Blattwerk zu kleinen verspielten Ensembles sorgfältig zusammengefügt. Die wertlosen Gegenstände haben eine Doppelfunktion: Sie wirken für sich – fast als Relikte eines Bühnenbildes oder Filmkulisse – und sind gleichzeitig Schattenerzeuger: Ein Spiel mit Schein und Sein. Sie werden angestrahlt von ungewöhnlichen Lichtquellen: Partyleuchten, polizeiliche Blaulicht-Rundum-Kennleuchten und Signal-Lichtbalken von einem Feuerwehrauto (das sind die offizielle Bezeichnungen). Die Leuchtquellen sind verantwortlich für eine zweite, komplett andere Wirkung dieser Installation, nämlich die, die man vom Klostergarten und vom Innenhof aus erleben kann: Durch die Fenster pulsiert ein geheimnisvolles blaues Schattenspiel: das Kloster atmet blau und zieht den Betrachtern in eine sich ständig ändernde Illusionswelt hinein.

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Im Remter hinter uns hängen 8 Monitore in einer Reihe an den vier Wänden. Auf diesen ist bewegliches Licht zu sehen, Lichtbeobachtungen, Lichtvisionen. Mal erkennt man, Sonnenstrahlen zwischen Zweigen, mal zieht der leuchtenden Abendhimmel hinter Strommasten schnell vorüber, mal sind es nicht gleich zu identifizierende Leuchtphänomene. Die meisten Videos sind mehr oder wenig zufällige Aufnahmen, oft auf Zugfahrten gemacht. Es sind zunächst unspektakuläre Erlebnisse, oder die Verfremdung von alltäglichen Gegenständen (so finden sie auf einem Monitor auch das Resultat des Umnutzens eines Küchenutensils zum Lichtfilter). Aus diesem Umgang mit Alltäglichen wird eine große Schönheit herausfiltriert und das Unfassbare des Lichtes fast visionär heraufbeschwört.

aus der Eröffnungsrede, Gerd Andersen, Leiterin und Kuratorin, DA Kunsthaus Kloster Gravenhorst,

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